Ulrich Schmidels Manier lässt sich der Schriftart der Kurrentschrift zuordnen. Sie ist eine Schriftart, die im frühen 16. Jahrhundert aufkam und aus der Kanzlei-Bastarda hervorging. (Vgl. Schneider, S.84 und S.85 Abb. 19.)
Somit gehört sie typographisch zu den gotischen gebrochenen Schriften ist jedoch keine Druckschrift, sondern eine flache und breitgezogene Kursive.
Die Kursive weißt folgende Merkmale einer Gebrauchsschrift auf, durch die sie von anderen gebräuchlichen Handschriften in dem Zeitraum des 16. Jahrhunderts zu unterscheiden ist:
Zunächst fällt in dem rechtsschräg gehaltenen wenig strengem Schriftbild auf, dass Buchstaben auf einer Ebene sehr flach und langgezogen geschrieben werden, wobei sie die unter der Zeile verlängerte Schäfte von ƒ (Vgl. in der Handschrift zum Beispiel [1v] Zeile 1.) und ſ (Vgl. in der Handschrift zum Beispiel [1v] Zeile 8.) der Textualis aufweist (Vgl. Schneider, S. 58.). Der Buchstabe g hat einen ungewöhnlich langen, nach links gerichteten Unterbogen auf der Unterzeile, ebenso das n am Wortende. Diese Besonderheiten tragen ebenfalls die jüngeren gotischen Kursiven (Vgl. Schneider, S. 65; Vgl. in der Handschrift zum Beispiel [1r] Zeile 3.).
Sowohl die in einem einzigen Federzug geschriebenen Formen der Buchstaben g (Vgl. in der Handschrift zum Beispiel [1v] Zeile 13.) und p (Vgl. in der Handschrift zum Beispiel [1v] Zeile 8.) als auch die durchgezogenen Schleifen von d (Vgl. in der Handschrift zum Beispiel [1v] Zeile 13.) und h (Vgl. in der Handschrift zum Beispiel [1r] Zeile 4 .) deuten auf eine schnell geschriebene Schrift hin. Außerdem wird sie in kalligraphischer Hinsicht mit Schnörkeln zu Beginn der Notiz, des Absatzes und zum Teil zu Beginn der Zeile mit Schleifen und Aufschwüngen vor dem Zeileneinzug ausgestattet (Vgl. in der Handschrift zum Beispiel [1v].). Davon abgesehen besitzt die Handschrift kein besonderes kalligraphisches Niveau.
Brechungen, wie bei allen gotischen Schriftarten, lassen sich an den einbogig gebrochenen Buchstaben a, o, g sowie den Nasalen n und m in angedeuteter Form erkennen (Vgl. Schneider, S. 66.), was somit ein Unterschied zu den Einwölbungen zwischen hervortretenden Spitzen der Textura ist (Vgl. Schneider, S. 55.). Die Differenzierung von starken und feinen Strichen wie sie bei frühen gotischen Schriften vorgenommen wurde ist kaum betont.
Die bisherigen Merkmale deuten auf eine Bastarda hin, die Ende des 14. Jahrhunderts aufkam, auf eine Schriftart, die Anspruch auf schnelles fortlaufendes Schreiben hat sowie auf eine Mischform aus der Textualis und der Kursiven (Vgl. Schneider, S. 66.).
Die aus der Kanzlei-Bastarda hervorgehende Kurrentschrift verbindet die genannten Charakteristika und entstand zu Beginn des 16. Jahrhunderts. Merkmale früherer Schriftarten lassen sich einige finden, jedoch wurde ihr Charakter bereits um 1510 in einem Schreiblehrbuch manifestiert (Vgl. Schneider, S. 85.).
Die regelmäßige Verwendung von Abkürzungen ist eine auffällige Besonderheit der Handschrift von Ulrich Schmidel. In deutschen Handschriften dieser Zeit wurde allerdings ein mäßiger Gebrauch von Abkürzungen gemacht, die dann jedoch oft in der Tradition und in Anlehnung an die lateinischen Abbreviaturen standen (Vgl. Grun, S. 30.). Schmidel verwendet beispielsweise eine an die deutsche Sprache angepasste Abwandlung der lateinischen Abkürzung ao (Vgl. in der Handschrift zum Beispiel [10v] Zeile 2.) für anno (Vgl. Grun, S. 40.). In der vorliegenden Handschrift wird der Vokal o dabei hinter dem a hochgestellt, was eine Ausnahme zur lateinisch üblichen Variante darstellt. Diese Kürzung kann in der Gruppeneinteilung nach Traube der „Zusammenziehung (oder Auslassung in der Mitte)“ (Vgl. Grun, S. 30.) zugeordnet werden. Dasselbe gilt für eine weitere übliche Kontraktion, die Schreibweise ds (Vgl. in der Handschrift zum Beispiel [5r] Zeile 5.) für den Artikel das. Diese nur für deutsche Texte des 15. Jahrhunderts übliche Abkürzung entstand im 13. Jahrhundert und taucht vielfach in der vorliegenden Handschrift auf (Vgl. Schneider, S.90.).
Die zweite Gruppe die Traube anführt, die Gruppe der „Abbrechung (oder Fortlassung am Wortende“ (Vgl. Grun, S. 30.), die nach der Einteilung von Bischoff mit der Silbenkürzung korrespondiert, (Vgl. Bischoff, S. 210.) ist bei Schmidel durch die en- und er-Kürzung sowie durch den Nasalstrich (Vgl. in der Handschrift zum Beispiel [3r] Zeile 6.) vertreten. Letzterer ist eines der geläufigsten Kürzungszeichen und kennzeichnet in der Handschrift die Auslassung des Konsonanten n am Wortende (Vgl. Schneider, S. 87.). Der Nasalstrich, ein waagerechter Strich „über dem der Auslassung vorhergehenden Buchstaben“ (Grun, S. 31.), konnte im 14. und 15. Jahrhundert ebenfalls zur Kennzeichnung der weggelassenen Silbe en verwendet werden (Vgl. Grun, S: 32.). Ab dem Ende des 15. Jahrhunderts wird allerdings „der vorher allgemein üblich gewesene waagerechte Strich oder Bogen von der senkrechten Schleife ganz verdrängt.“ (Grun, S. 35.) In der Schmidelschen Handschrift ist dies bei der en- (Vgl. in der Handschrift zum Beispiel [6v] Zeile 5.) und er- (Vgl. in der Handschrift [3r] Zeile 16.) Kürzung geschehen. Hier wird an den letzten Konsonant ein senkrecht nach unten führender Haken gestellt, der unterhalb der Zeile nach rechts gekrümmt ist. Dieses Zeichen ist ebenso häufig wie der Nasalstrich (Vgl. Schneider, S. 88.). En- und er-Kürzung können in der Handschrift formal nicht voneinander unterschieden werden und es muss aus dem Zusammenhang die jeweilige Bedeutung der Abkürzung erschlossen werden. Insgesamt kann allerdings konstatiert werden, dass die en-Kürzung bei weitem häufiger auftritt.
Kay: may: (Vgl. in der Handschrift zum Beispiel [12r] Zeile 2.) ist eine weitere Abkürzung, die womöglich von Schmidel selbst eingeführt wurde. Dies ist daraus abzuleiten, dass manche Schreiber „[s]tärkere Kürzungen häufig gebrauchter Wörter oder Wortgruppen [individuell] handhabten“ (Schneider, S. 90.). Kay: may: steht für die Personenanrede kaiserliche Majestät, was bei der Lektüre erst erschlossen werden muss.
Die Interpunktion der Handschrift bereitet im Allgemeinen keine Probleme bei der Lektüre des Reiseberichtes, weist aber einige Besonderheiten auf, die hier vermerkt werden. Zunächst kennzeichnet Schmidel das Absatzende sowohl durch eine darauf folgende Leerzeile, als auch durch ein individuelles Schlusszeichen des Absatzes. Dies war kein übliches Verfahren für die damalige Zeit, wobei sich nach Schneider Schlusszeichen am Ende eines Textes finden, „die aus Kombinationen von Punkten und Schnörkeln zusammengesetzt sind.“ (Schneider, S. 93.)
Schmidel setzt ebenfalls einen geschweiften nach oben offenen Bogen, der in der Mitte gelegentlich durch einen Punkt gekennzeichnet ist (Vgl. in der Handschrift zum Beispiel [5v] Zeile 4.), was vielleicht eine Anlehnung an diese beschriebene Praxis sein könnte.
Eine weitere Eigenheit des Textes ist die Worttrennung am Ende einer Zeile. Diese blieben im Mittelalter oft unbezeichnet, obwohl sie seit dem 11. Jahrhundert durch einen Schrägstrich, wie wir ihn heute kennen, gekennzeichnet werden konnten (Vgl. Schneider, S. 93.). Schmidel folgt in seiner Handschrift der alten Tradition und kennzeichnet die Worttrennung gar nicht (Vgl. in der Handschrift [12v] Zeile 10.), sodass manchmal nicht ganz klar ist, ob die geschriebenen Buchstaben zu einem oder zwei Wörtern gehören.
Die Handschrift Ulrich Schmidels hat neben den oben genannten Besonderheiten viele weitere, was die Lektüre des Reiseberichts unter Umständen ohne deren Kenntnis problematisch werden lässt.
Zunächst ist zu vermerken, dass Schmidel manchmal Buchstaben innerhalb der Wörter weglässt (Vgl. in der Handschrift zum Beispiel [7v] Zeile 18: „aldann“.). Dieses Verhalten tritt allerdings unregelmäßig auf, was darauf schließen lässt, dass dies auf Unachtsamkeit und ein Versehen gründet.
Desweiteren muss darauf hingewiesen werden, dass Schmidel einen nach unten halboffenen Bogen über den Vokal u setzt (Vgl in der Handschrift zum Beispiel [3r] Zeile 1: „zwu“.). Dies ist allerdings in der Regel nur in der Wortmitte der Fall und kann als Unterscheidungsmerkmal oder Lesehilfe fungieren, weil der Vokal u in der Handschrift Ulrich Schmidels nur schwer vom Nasal n zu unterscheiden ist, wenn dieser in der Wortmitte steht (Vgl. Schneider, S. 96.).
Die Groß- und Kleinschreibung kann in der Handschrift nicht immer zweifelsfrei aufgedeckt werden, weil einige Buchstaben, insbesondere der Konsonant m zunächst wie ein Großbuchstabe aussehen, obwohl sie bei näherer Betrachtung als kleingeschrieben aufgefasst werden müssen (Vgl. in der Handschrift zum Beispiel [12r] Zeile 5:“meystatt“.). Dasselbe gilt für die Unterscheidung der Konsonanten u und v. Ihre Verwendung wirft am Wortanfang, insbesondere bei der Konjunktion und Fragen auf, kann in der Regel aber als u interpretiert werden (Vgl. in der Handschrfit zum Beispiel [11r] Zeile 5.).
Die Abkürzungen, die Interpunktion und die hier aufgeführten weiteren Besonderheiten helfen bei richtiger Beachtung die Handschrift zu dekodieren. Manche Eigenheiten können als Probleme gelten, während andere eine Hilfe bei der Lektüre bieten.
Bischoff, Bernhard: Paläographie des römischen Altertums und des abendländischen Mittelalters. 4., durchgesehene und erweiterte Auflage. Berlin 2009.
Grun, Paul Arnold: Leseschlüssel zu unserer alten Schrift. Limburg 1984. (Grundriß der Genealogie; Bd. 5) [Nachdruck der Ausgabe von 1935].
Schneider, Karin: Paläographie und Handschriftenkunde für Germanisten. Eine Einführung. 2., überarbeitete Auflage. Tübingen 2009.